Unsere Mütter, unsere Väter
Der erste Teil dieser dreiteiligen Serie des ZDF konnte gestern besichtigt werden. Wir haben sogar unsern Tatort ausfallen lassen, was wahrscheinlich kein Fehler war. Der Film schildert aus der Sicht einer fünfköpfigen – real existierenden Familie – die jeweiligen Schicksale, die natürlich in jener Zeit das tragische Element wie selbstverständlich in sich tragen, fast sichtbar mit sich herumschleppen. Es gibt den guten, assimilierten Juden, den bösen, verderbten Nazischergen, den SS-Offizier – eines offensichtlichen Verbrechers, der kaltlächelnd ein kleines Mädchen erschießt. Es gibt auch die Soldaten der Wehrmacht, die den Russlandfeldzug zunächst voller Siegesfreude mitmachen, mittragen und dann schrittweise von der blutigen Realität erfasst und getötet werden. Glaubwürdige Szenen? Man muss die Zeitzeugen, die das alles miterlebten, inzwischen suchen, fast alle sind verstorben.
Der Film behandelt also auch die Verstrickung der Wehrmacht in die Naziverbrechen. Lange totgeschwiegen und der vermeintlichen Ehre des deutsche Soldaten geopfert, ist sie inzwischen eine historische Tatsache. Die, die dann aus diesem Kriege zurückkehrten, das waren ja dann wohl unsere Väter. Sie sprachen von “gestohlener Jugend”.
Ich versuche nun seit einiger Zeit, zu ergründen, was unsere Eltern (und übrigens auch unsere Schule) uns aus dieser unseligen Zeit mit auf den Weg gegeben haben. War es ein Schuldeingeständnis? Sicher nicht, wenigstens nicht immer. War es ein immanenter Versuch der Selbsttäuschung? Schon eher. Doch eines war es nicht: es war kein systematischer, sozusagen pädagogisch unterfütterter Aufbruch in die Demokratie, oder ein Demokratieverständnis, schon eher ein Bejammern der eigenen Versehrtheit, eines gebrochenen Seelenfriedens. Der war bei vielen nicht mehr auffindbar.
Dann das Wegschauen, die Angst vor tödlichen Konsequenzen, die gutbürgerliche Feigheit (die es heute auch noch gibt). Ja, den Wutbürger, den gab es damals nicht, ihn konnte es bei den Repressalien der an der Regierung befindlichen Verbrecher ja auch gar nicht geben. Es handelte sich ja um eine steife, dem Augenblick und utopischen Ziele verhaftete Gesellschaft. Die glaubte eine zeitlang wirklich an die Überwertigkeit des Deutschen. Ganz sicher. Die Folge in der nächsten Generation war ein dauerhafter Verlust des Nationalgefühls, von dessen Perversion in der Nazizeit man abrücken musste, ja wollte. Es entstand das Grundgesetz auf dem Boden der Paulskirchenverfassung von 1848, und das Wohl des Individuums wurde zentral. Gute, notwendige und ehrliche Arbeit. Und doch irgendwie blutleer, abgehoben. Damals hat man sich mit der jungen Vergangenheit ja nicht wirklich auseinandergesetzt. Wirklich geschämt für das, was da in der Nazizeit passierte, hat sich kaum jemand. Und die alten “responsibles” waren bald wieder in ihrem Amt, mit ein Grund für 1968!
Inwieweit nun der Film, übrigens spannend und gut gedreht, schlussendlich diese Perspektive aufzeigt, bleibt abzuwarten. Das ZDF mit seinem (retirierten) Chefhistoriker Knopp ist ja schon sowas wie eine TV-Schule der der Nation.