Die Reise ging in die Landeshauptstadt Thüringens, die durch einen der größten und am besten erhaltenen mittelalterlichen Stadtkerne Deutschlands geprägt wird, überragt vom Mariendom und der Severikirche. 1270 Jahre Stadtgeschichte lagen vor uns auf unserer Reise in das “thüringische Rom”, eingeschlossen die Spuren Bachs, dessen Eltern hier geboren wurden, wie auch Luthers, dessen geistige Heimat Erfurt ist. Hier wurde er 1505 Augustinermönch und wurde hier auch 1507 zum Priester geweiht. Vergessen werden soll auch nicht die jüdische Geschichte Erfurts mit der Großen und Kleinen Mikwa, dem historischen jüdischen Bad. Ein Orgelkonzert in der Predigerkirche war dann ein würdiger Abschluss. Dazu gibt es ein Tondokument.
Dass Goethe, Schiller, Napoleon und Lucas Cranach in Erfurt “weilten”, verstärkte nur unser Interesse. Wir erlebten auch eine sehr nachdenklich, ja verstörend stimmende Erinnerungsstätte, nämlich “Topf und Söhne”, jene Firma, die als Krematorien-Spezialist von Weltrang (!) keinerlei Skrupel hatte, sich beim Ofenbau für die Konzentrationslager der Nazis fachgerecht zu engagieren. Ein gut präsentiertes Beispiel ist das – für die Verstrickung eines Wirtschaftsunternehmens mit dem Regime. Von dieser informativen und soliden Aufarbeitung eines verbrecherischen Erbes könnte mancher andere Initiator profitieren.
Kulinarisch genossen wir den Thüringer Kloß und natürlich die Thüringer Bratwurst. In der Umgebung Erfurts sahen wir die Wachsenburg der Drei Gleichen. Das Bratwurstmuseum haben wir nicht besucht, dafür aber FAUSTFOOD mit etwa dem gleichen Effekt…
Beiträge von Mitreisenden:
Gerd Bussing schrieb am 29.9.2014:
Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass jede unserer Klassenfahrten (leider konnte ich zweimal nicht teilnehmen) etwas Neues, Interessantes und Bereicherndes bietet. Und manches Angenehme wiederholt sich. Ich war meist einer der ersten gewesen, die vor Ort ankamen. In der Regel war Ralph schon da, nun müssen wir ihn für immer vermissen.
Diesmal war es Rainer, der genau wie ich, um das Augustinerkloster auf der Suche nach unserer Unterkunft herumschlich. Dabei hätte ich wissen müssen, wo sich das Nikolai-Haus befindet, denn ich war bereits über Pfingsten anlässlich eines Kongresses in Erfurt und Freunde hatten dort gewohnt. Nach einigen Fragereien und unkorrekten Auskünften fanden wir es dann – es lag in Sichtweite. Ich fand die Zimmer trotz einiger kleiner Mängel o.k. Das Programm war gut zusammengestellt. Trotz merklicher Reduzierungen gegenüber den Vorjahren war es für mich, inzwischen ein wenig fußlahm geworden, recht anstrengend. Umso besser habe ich nachts geschlafen. Ich möchte nur kurz berühren, was mich am meisten beeindruckt hat. Der Besuch der Firma Topf, die seinerzeit für die Nazis Öfen zur Verbrennung umgebrachter Häftlinge produzierte, war schockierend. Ich frage mich: kann man überhaupt so viel Verstörung aufbringen, wie es bei der Konfrontation mit solchen Scheußlichkeiten angemessen wäre? Der Besuch in Arnstadt war für mich die Wiederholung dessen, was ich schon zu Pfingsten gesehen hatte. Bach allgegenwärtig. Sein Denkmal, das ihn als unkonventionellen und wohl auch rebellischen jungen Mann darstellt, fand ich höchst gelungen. Man sieht ihn sonst ja nur als abgeklärten Spätfünfziger. Leider kam seine Musik zu kurz. Und natürlich Luther. Was soll man über diese gewaltige, herausragende Gestalt noch sagen? Mich hat das, was wir über ihn erfahren haben, angeregt, mich etwas intensiver mit seiner Biographie, besonders auch mit seinem persönlichen Umfeld, zu befassen. Das jüdische Erfurt stand schon Pfingsten mit auf dem Programm, fiel aber ins Wasser, weil kurioserweise kein Guide zur Verfügung stand. Ich hatte noch nie ein Ritualbad gesehen, kannte es nur aus der Literatur (I.B. Singer). Gut, dass wir die Wachsenburg per Auto erklommen haben, denn sonst hätte ich mit Sicherheit passen müssen. Pedelec wäre allerdings auch nicht schlecht gewesen. Kaffee und Kuchen und die Aussicht von da oben – wunderbar! Das Kulinarische: für mich ein angenehm anstrengender Ausnahmezustand. Zuhause war dann zunächst einmal austerity angesagt.
Schön, dass unsere harmonische Runde durch Inge, Marita und Udo bereichert wurde, nachdem Ralph und Hanning nicht mehr unter uns weilen. Unser Stadtführer war, trotz einer kurzen Verstimmung zu Beginn, hervorragend. Erinnert ihr euch noch an Herrn Eger in Weimar? Die wissen einfach alles.
Am Tag der Abreise stapften Udo und ich mit unseren Rollkoffern Richtung Bahnhof, als Udo plötzlich feststellte, dass er sich in der Zeit verschätzt hatte. Er rannte dann förmlich los und berichtete mir später, er habe seinen Zug gerade noch soeben erreicht. Ich dagegen konnte gemächlich weiterschlendern. Soweit mein fragmentarischer Kurzbericht. Wie wär’s, wenn auch andere etwas zum Besten geben würden?
Ich hoffe sehr, trotz abnehmender Kräfte beim nächsten Mal wieder mit dabei zu sein.
29.9.14
Gerd
Udo schrieb am 2.10.2014 – Ankunft in Erfurt:
Ich war ja schon am 6. September losgefahren und dabei voll in den Lokführerstreik gekommen. Ich hatte mich für den Nachmittag zum Kaffeetrinken mit meinem Cousin in Weimar verbredet. Zuletzt hatte ich ihn besucht, als er seinen 60 Geburtstag gefeiert hat. Nun wird er demnächst 90. Also, zum Nachmittagskaffee bin ich nicht mehr zurecht gekommen, wohl aber zum späten Abendessen. Und das auf Umwegen, statt über Berlin über Göttingen.
Und am 7. September, also am Anreisetag zum Treffen mit den lieben Kameraden in Erfurt brauchte ich nur noch von Weimar die Fahrkarte für die kurze Fahrt in die Landeshauptstadt von Thüringen. Auf dem Erfurter Bahnhof angekommen, musste ich erst einmal mit meinem Rucksack und der schwarzen Umhängetasche die drei Treppen runter. Unten habe ich nach einem Taxi gesucht, habe aber nur Straßenbahnen gesehen, d.h. Schienen. Den Taxistand vermutete ich auf der anderen Seite des Bahnhofes. Da standen jedoch keine Taxis. Eines hatte gerade Reisende zum Bahnhof gebracht und war dann sofort wieder losgefahren. Es war ja Sonntag Nachmittag gegen halb drei. Wer braucht da schon ein Taxi? Bushaltestellen gab es auch. Aber das waren alles Busse nach außerhalb.
Endlich kam doch noch ein Taxi. Der Fahrer ließ die Passagiere raus und, bevor er sich das anders überlegen konnte, habe ich ihm meinen Wunsch unterbreitet, zum Gästehaus Nikolai gefahren zu werden. Ich war mit dem Verhandeln gerade fertig, da kam eine ältere Dame, sah dass nur ein einzelnes Taxi da war und fragte höflich , ob das Taxi mit mir zufällig Richtung Augustinerkloster fahren würde und wenn ja, ob sie mitfahren könnte, zum Gästehaus Nikolai. Ich hatte nichts dagegen, der Taxifahrer meinte allerdings, da kämen bestimmt noch andere Taxis. Aber auf den zweiten Blick haben wir uns dann erkannt, vom Klassentreffen in Minden. Die nette Dame war Anne, die Frau von unserm leider vergangenes Jahr verstorbenen Klassenkameraden Ralf.. Was für ein Zufall. Natürlich sind wir zusammen zur Unterkunft gefahren. Es war auch nicht allzu weit. Unterwegs habe ich den Taxifahrer gefragt, was er in Erfurt denn empfehlen könnte, was ältere Personen wie wir es waren, vielleicht interessieren könnte. Der Fahrer wollte nicht so recht mit der Sprache heraus und Anne meinte, ich bräuchte doch nicht zu fragen, das hätte der Günter doch schon alles bestens organisiert.
Beim Gästehaus Nikolai angekommen, sagte uns die Frau am Empfang, wir seien die ersten. Sie war froh, dass sie uns schon unsere Zimmerschlüssel aushändigen konnte, denn mit dem Schlüsselspätausgabeautomaten mit Codewort gäbe es möglicherweise Probleme, wenn so viele Gäste erst nach 16 Uhr einchecken wollten. Nach vier hatte sie ja schon Feierabend. Wir sind also zu unseren Zimmern im ersten Stock und haben uns etwas frisch gemacht. Mein Zimmer war klein, mit einem schlichten Kreuz an der Wand über dem Kopfende vom Bett. Das beste war, dass es sonnig war und zum Fluss Gera rausging.
Da die anderen erst später kommen würden, haben Anne und ich uns verabredet, schon mal auf eigene Faust und mit Stadtplan in die Stadt zu gehen. Weit sind wir allerdings nicht gekommen. Wir haben bald ein ansprechendes Café gefunden, wo wir gemütlich gesessen und über unsere Anreisestrecken unterhalten. Anne aus Minden und ich aus Weimar bzw. aus Rendsburg.
Nach dem Kaffee sind wir dann noch ein Stückchen weiter in die Stadt gegangen bis zu dem Platz, wo das Rathaus und hübsche reich verzierte Gebäude stehen. Auch ein Römer bzw. ein Roland steht dort mitten auf dem Platz. Dazu gab es noch jede Menge Restaurants. Anne meinte, wir sollten doch schon mal uns umgucken, ob wir nicht ein geeignetes Lokal fürs gemeinsame Abendessen fänden. Das was uns am meisten zusagte, war das Pavarotti. Wie sich später herausstellte, fand dieses Restaurant auch die Zustimmung der anderen.
Als wir zurück zum Gästehaus Nikolai kamen, wurden wir lautstark und ganz lieb von den anderen Teilnehmern unserer Gruppe begrüßt, und ich hatte das Gefühl, wirklich willkommen zu sein, wo ich doch zum ersten Mal zum Wandertreffen mitgekommen war. Es war ein herrlicher Sonnentag und meine erste Begegnung mit Erfurt war sehr positiv.