Jud Süß beendet – ecce homo
Das Buch habe ich nun ausgelesen. Das Urteil bleibt: ein höchst lesenswertes Buch mit vielen Möglichkeiten zur Diskussion.
Um die Inhaltsangabe fortzusetzen: Der Aufstieg des Süß schien unaufhaltsam, dies nur möglich im Umfeld der absolutistischen, selbstherrlichen Herrschaft des Herzogs. Doch da ist die Tochter Naemi, (nicht klar ist, von wem er sie hat, sie wohnt abgeschieden und unter der Aufsicht ebendieses Rabbi Gabriel in einem Wald bei Ludwigsburg, Hirsau, um genau zu sein. Der Herzog nun wird listig gesteuert von einem Höfling namens Weißensee, dessen Tochter an den Herzog verkuppelt wird (vom Juden natürlich), und an dem will sich der Weißensee nun rächen. Er führt den allzeit-geilen Herzog auf die Spur der Naemi, und diese verfällt ihm fast, flieht aber und stürzt sich vom Dach des Hauses zu Tode. Süß, der seine Tochter ja abgöttisch liebte, ist verletzt, verwundet und seelisch zerstört. Es ist einfach genial, wie Feuchtwanger die nun praktizierte Tücke des Süß beschreibt, mit der er den Herzog, der gerade durch diese Verstrickung an den Süß unlösbar gebunden seint, schließlich zu Fall bringt.
Er unterstützt dieses “katholische Projekt”, aus Württemberg ein katholisches Ländle zu machen – eine Art Militärputsch im Auftrage des Wiener Hofes. Er liefert die Vorbedingungen dem Herzog mundgerecht, aber nur, um alles kurz vor der Vollendung durch gezielten Verrat zu hintertreiben.
Der sieggewohnte Herzog ist blamiert und stirbt – vielleicht an einer Art plötzlichen Herztod, “Steckfluss” genannt. Der Gönner ist weg. Übrig bleiben Süßens Gegenspieler die zunächst nicht wissen, was zu tun ist. Süß plant Erstaunliches: er scheint auf seinen eigenen Untergang hinzuarbeiten – was will er noch auf der Welt, alles erreicht, alter ego weg, Tod der Tochter doch nicht gesühnt, wozu noch leben…
Dann ist er nun aber seinerseits verloren, er – bietet nämlich seine eigene Verhaftung an und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Der tiefe Fall beginnt: Die nun offen antisemitische Regierung klagt den Juden an. Es kommt zum Todesurteil. Er wird trotz vieler Gegenschachzüge, ihn zu retten, u.a. durch eine unvorstellbare Menge Geldes, von den Juden für ihn gesammelt, gehängt. Noch auf dem Schaffott bekennt sich der voll-assimilierte Jude Süß, der eigentlich ja Halbjude ist (von dem Baron Heydersdorff mit seiner Mutter Michaele gezeugt) zum jüdischen Glauben, ruft, fast ein wenig übertrieben, Jahve an, fast wie Jesus am Kreuz.
Ende des Schauspiels. Amen Sela.
War der Roman nun antisemitisch? Oberflächlich gesehen, ja. In der Tiefe aber erzählt er doch vom Schicksal eines außergewöhnlichen Lebens, vom Aufstieg und Fall einer tragischen Figur, der nun eben Jude ist, aber doch viel mehr, nämlich ein Mensch. Ecce Homo.