Literaturstudie Jud Süß
Da lese ich ein Buch. Nicht digital, nicht als Ebook oder so, sondern höchst real. Es fiel mir aus meinem Bücherschrank als älteres Exemplar in die Hände, mit einem Eselsohr bereits nach etwa 20 Seiten. Eng beschrieben und bedruckt, so wie damals die rororo-Bändchen und Fischerausgaben. Man konnte damals, vor x Jahren jüngerer Lebenszeit besser lesen, die Augen waren irgendwie besser.
Doch zur Sache. Es handelt sich um ein Buch besonderer Art und passt in unsere Diskussion.
Lion Feuchtwangers “Jud Süß” heißt das Buch und ich habe es damals, wohl aus Zeitmangel und auch wegen der – zugegeben – recht schweren Lesbarkeit, früh wieder aus der Hand gelegt. Nun ist dieses Buch mit seinem Titel, oder besser: wegen seines Titels, “verrufen”, d.h. man bezieht sich reflexartig auf den heute verbotenen Film von Veit Harlan, der bei den Nazis DER Hetzfilm gegen die Juden war.
Doch während bei dem Film bis heute umstritten ist, ob ihm der Feuchtwanger-Roman oder eine Novelle von Wilhelm Hauff als Vorlage diente, ist unumstritten, dass das Buch zur anerkannten Weltliteratur gehört, und gerade auf dem Hintergrund der Aly-Lektüre wird es interessant als geschichtliche Bearbeitung eines Stoffes, der die Stellung des aufgeklärten assimilierten Juden Joseph Süß Oppenheimer und seiner orthodoxen Mit-Acteurs zum Gegenstand hat. Süß war der “Hofjude” und “Finanzdirektor” des württembergischen Herzogs Karl-Alexander, der für eine kurze Zeit im protestantischen Ländle katholischen Einfluß (Stichworte Wien und Würzburg) zuließ. Genau diesen Zwischenstand nutzte der Süß aus, um sich den größtmöglichen Einfluss auf den Herzog zu sichern, gipfelnd in der Befreiung eines unschuldigen Juden aus den Händen einer konkurrierenden Reichsstadt – Esslingen. Und doch ist der Oppenheimer eine zwiespältige Figur, einerse assimiliert bis zum Äußersten, andererseits ist er geradezu abhängig von seinem orthodoxen Oheim, dem Kabbalisten Gabriel. Und Feuchtwanger zeichnet auch das Bild des Hausierjudens, des verschlagenen Wucherers, seltsamen Bräuchen ausgesetzt (Osterkuchen backen aus dem Blut von in der Christnacht Geborenen), welches Bild die damalige Zeit bestimmte (und nicht nur die damalige…). Und dann richtet der gleiche Jude plötzlich sein Auge auf etwas, das über dem Menschen liegt und die Welt einer übergeordneten, unbekannten Weisheit eröffnet.
Nicht zuende gelesen (weiss aber, dass der Süß gehängt wird), doch schon fasziniert von der epischen Erzählkunst, die Feuchtwanger in dei Nähe von Thomas Mann und Tolstoi rückt… Die Sprache, MRR nannte sie eindringlich und auch aufdringlich, ist zeitgerecht altertümlich und schwer lesbar aber man kann in dem Buche wohnen (was ich als den höchsten Qualitätsbeweis für mich sehe).
Feuchtwanger war Jude, geboren 1884 in München und lebte bis 1933 in Deutschland. Bei einer Vortragsreise in die USA konnte er 1933 nicht mehr zurückkehren, da die Nazis ihn als unerwünschte Person bezeichnet hatten. Er starb 1958 in LA und wurde in Santa Monica Kalifornien beerdigt.
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