Stefan Zweigs Frauenbiografien
Der Ältere neigt der Geschichtsbetrachtung zu, seiner eigenen, aber auch der Zeit- und der vergangenen Geschichte. So auch der Autor, der rückblickend sich an Vieles erinnert, doch auch, flanierend an der gut gefüllten Regalaustattung seiner Bibliothek, an Gelesenes. Man nimmt ein Buch zur Hand, betrachtet es, legt es zurück, sinnierend über die Relikte des Gebrauchs (Eselsohren, Kaffeeflecken…) und schließlich fällt einem eines zu, das man direkt wieder lesen möchte, und das auch tut.
Hier ging es um eines der Standardwerke (Kanon) der deutschen Literatur, Stefan Zweigs “Marie Antoinette”, einer Biografie nicht nur dieser tragischen Königinnengestalt, sondern einer großartigen Darstellung der französischen Revolution. Die epische Kraft eines Erzählers, die zu Bildern zwingt, die von der Realität gar nicht mehr weit entfernt zu sein scheinen, ist hier monumental. Ich erlebte sie noch bei Feuchtwanger und – natürlich – bei Thomas Mann…
Doch hier: Man sehe doch; mit welcher Eindringlichkeit wird der Charakterwechsel dieser (schönen, tragischen) Gattin des Königs Ludwig des XVI. beschrieben, mit welcher Schärfe wird – auf dem Hintergrund der fast etwas zu dümmlich dargestellten Figur des Königs (war der wirklich so?) – die unerträgliche Leichtigkeit des Seins des “Dixhuitième” gezeigt. Und dann die Brutalität der Revolution selber, gegenüber dem fallenden Regime und gegenüber allen, die “dagegen” sind – fühlt man nicht die klammheimliche Sympathie des Autors, der ja selbst dem fin de siècle angehörte?
Es ist ein wunderbarer, ein tragisch-schöner, ein fast griechisch-aischyloshafter Eindruck, den man bei der Lektüre hat. Ein Lese-Erlebnis erster Güte.
Das wiederholt sich bei der Lektüre der zweiten Frauenbiografie Zweigs, der “Maria Stuart”. Auch hier wieder die dekadent anmutende Sympathie für eine – gegenüber der Marie Antoinette – doch eher zwielichtigen Gestalt der schottischen Königin, die sich weder für Liebesgaben noch für Mord zu schade war. Ihre Tragik besteht in der faktisch unausweichlichen machtpolitischen Auseinandersetzung mit Elisabeth von England, der sie den englischen Thron streitig macht, und die als zögerliche und wenig entscheidungsfreudige Person wiedergegeben wird.
Auch wieder farbig deklamiert und faszinierendsp rachlich, dargestellt, obwohl diese Biografie sich am Schillerdrama messen lassen muss. Darauf geht Zweig aber gar nicht ein. Wozu auch? Hier wird das ganze Leben dieser gefährlichen und Gefahren ausgesetzten Frau gechildert, nicht nur ein Ausschnitt ihres zu Ende gehenden Lebens.