Gymnasium quo vadis?
Das obige Bild zeigt, wir wissen es, die Keimzelle unseres Gymnasiums Mindense. Es handelt sich um die Städtische Lateinschule, hervorgegangen aus dem Pauluskloster des Dominikanerordens und 1530 von der Stadt Minden übernommen. Seither wurde an dieser Schule der Geist der Reformation, der alten Sprachen und des Humanismus gepflegt ud fortgeschrieben. Wir waren Zöglinge dieser Traditionsschule und sind stolz darauf. Doch was ist aus unser Schule geworden, besser gesagt, was aus dem Bildungsbegriff, der uns in dieser Schule vermittelt wurde? Um es vorweg zu nehmen, unsere Schule ist zwar nicht altsprachlich, so doch musisch-kulturbeflissen geblieben. Das ist erfreulich und beruhigend. Anderes jedoch nicht.
Gleich zwei Pressemitteilungen oder Artikel (Welt und FAZ) befassten sich gestern mit dem Thema Bildung oder was man heute dafür hält, sowie mit der Frage, warum die Bestnoten der Abiturienten von 2006 bis heute um rätselhafte 42% gestiegen sind, obwohl die Studienanfänger etwa hinsichtlich ihrer Mathe-Kenntnisse eher unterdurchschnittlich sind. Man sagt sogar, dass sie einfache Grundrechenarten wie Multiplikation oder Division nicht gut beherrschen. Schreiben lernen sie ja schon lange nicht mehr, stattdessen können sie gut mit dem Iphone oder Tablet umgehen.
Das Abitur als Merkmal eines gymnasialen Schulabschlusses ist verloren gegangen. Das Abitur ist heute auch in Schuleinrichtungen erreichbar, die es früher nicht gab oder die das nicht anboten, wie berufsbildende Schulen oder andere Bildungseinrichtungen, weshalb Studentengruppen die Unis besuchen, die es ebenfalls früher nicht gab. Es gibt kaum eine buntere, intransparentere und vielfältigere Schullandschaft als die deutsche. Und auch wichtig: der föderale Flickenteppich ist eine gar köstliche Wiedergeburt der vielstimmigen Kleinstaaterei der Aufklärung, der vornapoleonischen Zeiten. Begrüßenswert wäre, dass es einen neuen Napoleon gibt, der einen neuen bildungspolitischen Code entwirft.
Ich glaube, dass das Gymnasium, so wie wir es kannten, längst “zu den Vätern versammelt” wurde, verstorben ist, dass es seinen Geist im sprichwörtlichen Sinn aufgegeben hat. Wir leben in einer Zeit der massiven Bildunsginflation. Bildung und Wissen als Wert an sich, so wie er uns (glücklicherweise) vermittelt wurde, ist nicht mehr gefragt. Was ist Bildung heute? Die sprachliche Verbindung der Begriffe Beruf und Bildung zu “Berufsbildung” ist da mehr als entlarvend, denn sie signalisiert, was heute erwartet wird: möglichst reibungsloser Übergang von Schule in den Beruf, und wenn Unis (leider) dazukommen, dann möglichst gleichzeitig Studium und Berufsausbildung(“dual”). Das alle ist politisch gewollt, dahinter steht die Wirtschaft mit ihrer Extremlobby, das Facharbeiterziel zu erreichen und das Abitur zu einem Nebenfeld zu machen. Die heutigen Eltern machen das mit. 8-Jahres-Schule, Gemeinschaftsschule, Ganztagsschule, Inklusion, etc., alles wird geschluckt. Ihnen ist nur die Eigenschaft “Abiturient” für ihre Sprösslinge maximal erstrebenswert, und wenn man bedenkt, dass Reisekaufleute, Fitnesstrainer oder Bankfachleute heut nicht ohne dieses Präfix “Abitur” auskommen, und Bewerbungen ohne dieses einfach unter den Tisch fallen, dann kann man diese Misere besonders deutlich erkennen. Abitur für alle, doch das wäre selbst Marx zu viel gewesen.
Auf die Frage “Wer war der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland?” antwortete ein Schüler: “Adenauer!”, doch ein Mitschüler korrigierte ihn: “Quatsch, es war Adolf Hitler!” Cool.
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