Charlie Hebdo
Die Anschläge von Paris am 7. Januar 2015 gegen das Satireblatt Charlie Hebdo und gegen Juden in einem jüdischen Supermarkt ist von bösartiger Mordlust gekennzeichnet, die im Namen des Islam verübt wurde. So brüllten jedenfalls die Mörder, die mit den Rufen “Gott ist groß” und “Wir haben Mohammed gerächt!” 15 unschuldige Menschen hingerichtet haben. Das ist mehr als schrecklich. Aber es wirft Fragen auf.
Eine Religion, die scheinbar Gewalt gegen Andersgläubige zulässt, muss sich Fragen gefallen lassen, und sie muss diese Fragen möglichst eindeutig beantworten. Wir nennen die gewaltbereite Ideologie zwar nicht Islam, sondern Islamismus und verdammen diese, so wie dies auch dieMehrzahl der Muslime tut, die wie wir diese Gewalt verabscheuen. Die islamistischen Ausprägungen Djihad (eig. “innere Anstrengung”, nicht “heiliger Krieg”), IS, Taliban und Al Qaida, sie alle konkurrieren miteinander und wurzeln im Islam, dies darf bei aller positivistischer, offizieller und korrekter Redeflut aller Verantwortlichen nicht übersehen werden. Diese Zweigleisigkeit der gleichen Religion ist es, was die Menschen dann doch beunruhigt. Und die geforderten eindeutigen Antworten der offiziellen Vertreter aller politischen und religiösen Richtungen sind so formuliert, dass man nur zustimmen kann, aber auch gleichzeitig so glatt und korrekt, dass man wieder zu einer Art Zweifel gelangt.
Islam, das heißt “Frieden”, denn in ihm steckt auch das Wort “Salaam”, wie in Dar es Salaam. Ist damit alles gesagt? Nein, denn alle Religionen, die einen in ihrer Geschichte, die anderen aktuell, lassen sich von Fanatikern missbrauchen. Im Christentum, lange her, waren das z.B. die Kreuzzüge oder die Hexen-, die Ketzerverbrennungen. Die Evangelikalen der USA in missionarischem Eifer neigen auch heute noch dazu, sich mit Gewalt Gehör zu verschaffen, und wie soll man die Massaker der irischen Auseinandersetzungen zwischen englischen Protestanten und Katholiken nennen, wenn nicht mörderisch?
Also: man kann Religionen nicht von Gewalt, die in ihrem Namen ausgeübt wird, trennen, siehe Henryk M. Broder in der Ausgabe der Welt v. 12.1.2015. Aber das ist keine Rechtfertigung, niemals, für solche Morde wie die von Paris! Diese sind, wenn man sie überhaupt verstehen will, ausgelöst worden durch die Mohammed-Karikaturen dieser Zeitschrift (und anderer, etwa der Westergaards in Dänemarks Jyllands Posten 2005). Sie wurden und werden als Blasphemie in einer Religion verstanden, die weit entfernt davon ist, als tolerant bezeichnet zu werden. Denn sie hat eines nicht durchgemacht: eine Epoche, die der europäischen Aufklärung und der darauf folgenden Säkularisierung, auch nur entfernt entspricht. Der Islam ist in weiten Teilen einfach nur Mittelalter, das ist es. Da reden einige von einem europäischen Islam – neue Formulierung, diffus, nicht definiert, schön wärs, mit einem Sprung ins Heute.
Und andererseits, die Sache mit der Pressefreiheit – was ist uns Christen Blasphemie, was den Muslimen? Noch ist eine öffentliche Darstellung von Sachverhalten, die die religiösen Gefühle Einzelner verletzen können, strafbar. Dazu zählt auch Satire! Man arbeitet an einer Abschaffung, doch finde ich das nicht richtig. Wir wissen, dass Glaubensfragen private und grundätzliche Wertgefüge darstellen, die nicht verletzt werden dürfen – Grundwerte eben, von denen wir doch immer wieder lernen, dass nur der, der diese Grundwerte vertritt, in unserer Gesellschaft willkommen ist. Also: Hier ist eine Grenze dessen gegeben, das wir Meinungsfreiheit nennen, ein hohes Gut, aber nicht das höchste.
Da wirkt die gegenwärtige allgemeine Empörung, so grundsätzlich richtig sie ist, besonders der politischen und Meinungsbildnerklasse (Journalismus) so wie das Geheul eines tödlich verletzten Tieres, doch: es wird überleben. Tja – wir konnten und mussten die geballte Kraft der Vierten Gewalt erleben, die Fernsehprogramme (die besonders), die Zeitungen, die Print- und Onlinemedien, siw waren komplett außer sich. Etwas anderes war es mit Frankreich: Frankreich als Nation stand auf, sang die Marseillaise – das war beeindruckend, denn wir Deutsche haben als Nation so unser Problem, wenn wir mal nicht als Fussballnation manifest werden. Ich fürchte aber, dass die Symbolkraft der Einigkeit der vielen Staatsmänner Symbol bleiben wird.
Da fiel dann nur wenigen auf, dass jene anderen schlimmen Ereignisse, etwa in Nigeria, Sanaa, Pakistan und vielen anderen so sehr in den Hintergrund traten, dass man suchen musste – und doch ist der Schmerz und die Wut, das Versagen der politischen Klasse und die überlegen scheinende Mordmacht der Islamisten nicht geringer als in Paris…
Und dann haben wir ja noch Pegida… Man muss da mal was zusammenbringen – Sarrazin, Houellebeq, Pegida und die Charlie-Hebdo-Morde… Aber das ist eine andere Geschichte.
Man denke an Avicenna, Rhazes, diese Ärzte arabischer Herkunft; man denke auch an den west-östlichen Diwan des geradezu verzückten Goethe -auch das ist (der arabische) Islam!