Adam Zamoyski: 1812
Historiker-Bücher sind oft für den Nichthistoriker schlecht lesbar. Doch dieses Buch über den Russlandfeldzug Napoleons macht da eine Ausnahme. Es ist historisch fundiert und dennoch liest es sich wie ein Roman. Das meine ich nicht nachteilig, denn der gestandene Historiker könnte meinen, ich würde damit das Buch als wenig seriös verstehen. Nein, gar nicht. Es gibt – gut recherchiert und fundiert – einen einer Reportage ähnlichen Text wieder, der Bekanntes und Unbekanntes vermischt. Bekannt z.B. sind die merkwürdigen Einflüsse von Napoleons Person auf seine Soldaten, die nicht nur mechanisch “Vive l’Empereur!” riefen, wenn er unter den niedrigsten Lebensumständen seiner Soldaten seine merkwürdigen Paraden abnahm. Sie waren fasziniert. Man könnte fast an das gleiche Phänomen 12o Jahre später in Deutschland denken.
Der Feldzug war eine politische und logistische Dummheit, lernen wir, getrieben von den Ängsten Napeoleons vor Englands möglicher Allianz mit Russland, unterlegt von einer zwiespältigen Hassliebe zwischen Alexander und dem französischen Kaiser (heute würde man sagen: selbsternannten Kaiser!). Man nimmt förmlich teil an den Leiden der bunt gemischten Soldaten (insgesamt je nach Schätzung zwischen 250.000 und 450.000) auf der alliierten Seite, aber auch an den Kompetenzstreitereien der Generäle hüben und drüben (damals wie heute). Das Transportmittel Pferd und seine Versorgung mit Futter war hier an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit, die Leiden der Tiere waren unbeschreiblich. Und an der beginnenden zerstörerischen Kriegsmaschinerie, die dann sich immer weiter technisch entwickelte. Die Artillerie wurde bereits damals hauptsächlich gegen Städte eingesetzt, mit brutaler Wirkung, wie die Beschreibung der Einnahme von Smolensk zeigt.
Dieser unmögliche Feldzug war zum Scheitern verurteilt.
Alles in allem ist das Buch lesenswert und ich gebe ihm die Note sehr gut.
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