Wem die Stunde schlägt *****
Ich bekenne es immer wieder und werde nicht dessen müde: man sollte diese Alten, diese alten Erzähler, diese Bereitsteller von Schriftlichem, was ja Schriftsteller eigentlich sind, immer wieder lesen, denn ihre Geschichten sind – lesbar. Was sagen will, dass heutige Erzähler nicht immer “lesbar”, sondern oft “unleserlich” sind. Lesbarkeit und packende Mitnahme des Lesers, das findet man hier z.B. bei Ernest Hemingway (1899 – 1961), in seinem Roman über den spanischen Bürgerkrieg von 1936-1939, den H. auf der Seite der Roten mitmachte.
Sein Roman ist ein Beispiel für diese wohl aktive Teilnahme und schildert die Geschichte eines Amerikaners, Robert Jordan aus Missouri, auf der Seite der moskautreuen kommunistischen Brigaden. Der soll eine strategisch sehr wichtige Brücke im Rahmen einer Gegenoffensive des Moskauer Generals Golz in die Luft sprengen und muss sich zu diesem Zwecke einer Rebellengruppe (Guerilleros) unter Führung von Pablo und Pilar, einer zigeunerhaften starken Frau, anschließen. Es ist dies ein nur kleiner Ausschnitt aus dem Gesamtgeschehen, betrifft nämlich nur vier Tage, die aber vollgepackt sind mit Aktionen, Erzählungen von Erlebnissen der allerschlimmsten Sorte, Rückblenden in das republikanische Madrid der damaligen Zeit. Über die Zwistigkeiten wird berichtet zwischen den Rebellengruppen, der Guerrilla, die von den “Republikanern” angefeindet wird.
Über allen schwebt die Liebesgeschichte zwischen ihm und Maria, dem “Kaninchen”, dem Rebellenmädchen, das von den Faschisten geschoren und vergewaltigt wurde, und das bei Roberto und in Robertos Schlafsack – er schläft immer draußen vor der Höhle – in dieser kurzen Zeit vom Anschein eines bürgerlichen Lebens “nach dieser Sache” träumen kann.
Schlimme Geschichten mit Massakern auf beiden Seiten werden genau und realistisch geschildert. Man erkennt schnell, dass die “Sache” vielleicht doch eine verlorene ist; die Faschisten und ihre Verbündeten, also auch die Deutschen mit der Legion Condor, sind besser ausgerüstet und haben die besseren Strategien. Die Rebellen dagegen sind oft Bauern ohne militärische Erfahrung, gezeichnet von Unterdrückung, beseelt nur von der Idee einer besseren, demokratischeren Welt. Bei solchen Bauern-Partisanen kam Robert Jordan, der “Dynamiter”, mit seinem Dynamit unter und muss sich gegen Misstrauen, Alkohol und Ignoranz durchsetzen.
Immer auch blitzt die heimliche Liebe Hemingways auf für den spanischen Stierkampf und seine Varianten, ein sicher tier-unfreundliches und für beide Seiten blutiges Brauchtum. Oft siegt der Stier – der Rebell, doch gegen den Torero, der ihm immer überlegen ist, hat er keine Chance – er ist der Faschist. So ist der Stierkampf Sinnbild des Bürgerkrieges…
Nun, wir wissen wie das Ganze ausging. Franco kam nicht nur an die Macht, er blieb auch an derselben, überlebte Hitler und Mussolini.
Die Sache Robert Jordans ging dann auch schlecht aus, und man wird immer stärker in den zeitlichen, schwierigen Lauf der Dinge hineingezogen. Man fiebert mit. Man “wohnt im Buch”, ja, man träumt sogar davon. Der Schluss ist meisterlich (wie das ganze Buch), denn es läßt keinen Zweifel am (für Roberto tödlichen) Ausgang, doch der wird nicht dargestellt. Genauso wenig wie der gleichzeitige Tod des “ernst blickenden” Franco-Offiziers Berrendo.