Politik und Klassik
Es war wohl unser Bundestagspräsident Schäuble, Freund von Armin Laschet, der es als erster wagte, die pandemische Gefahr für Leib und Leben zu relativieren, als er sagte: “Das Leben zu schützen ist nicht das oberste Ziel unserer Gesellschaft !” und befand sich damit sehr außerhalb derselben. Wir haben das hier diskutiert,
Danach kam es zu einer späteren Replik – ich weiß nicht mehr von wem -, die als Klassik-Zitat aus Schillers Braut von Messina in die nun doch klassik-interessiert sich gebende Community gelangte: “Das Leben ist der Güter Höchstes nicht.”, läßt Schiller seien Chor am Ende des Dramas ausrufen, doch die letzte Zeile lautet “Der Übel Größtes aber ist die Schuld”.
Unser Öffentlichkeit wurde mit zwei Aussagen konfrontiert: Erstens mit der erstaunlichen Tatsache, dass man ein “höchstes Gut”, nämlich die Gesundheit, nicht unedngt schützen muss. In Zeiten der Covid-Opfer auf den Intensivstationen sicher ein zynischs Statement. Von einem Politiker. Zweitens wurde direkt nachgeschoben, dass es ich um ein Schillerzitat handle – Bildung des Aussagenden also garantiert.
Ich habe nun mal wieder (oder erstmalig?) die “Braut” gelesen, sicher nicht Schillers stärkstes Drama, und begriffen, dass man nie ein Zitat nie aus dem komplexen Zusammenhang reißen darf, in der zumindest diese Aussage steht. Denn die Tragödie des zweifelhaften Helden Don Cesar besteht ja darin, dass er für sich keine andere Möglichkeit als den Tod sieht, da er seinen Bruder Don Manuel erstach, aus welchen <gründe auch immer. Weil er solche große Schuld auf sich lud, und deshalb und nur deshalb. ist das Wesen der Tragödie erfüllt, als Schuldiger keinen Ausweg als den Tod mehr zu sehen. Dann ist auch ds Leben – das Weiterleben – sinnlos und nicht mehr Höchstes Gut.
Das hat unseren Politiker, vielleicht, weil er nur gegoogelt hat und das Drama nicht selber las, zu solchen Äußerungen hinreißen lassen. Daher ist er der Schuldige an einer Interpretation, die eine Reihe von Schlüssen zulässt, die man hier nicht unbedingt historisch unterlegen muss.
Immierhin hat er den Wert der klassischen Bildung unfreiwillig unterstrichen. Ich habe die “Braut von Messina” gelesen und auch den Kunstgriff Schillers, einen Doppel- Chor zu installieren, der jeweils einen Diener repräsentiert, erstaunt zur Kenntnis genommen.
Aias läßt grüßen.
“Der Übel Größtes aber ist die Schuld!”, Herr Politiker…
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