Jakob der Lügner
Jurek Beckers Roman über den Ghettojuden Jakob Heym (wahrscheinlich im Warschauer Ghetto, obwohl das nie gesagt wird), der aus einer nichtigen, bei einer Kontrolle aufgeschnappten Rundfunkmeldung eine Riesensache macht, nämlich die Lüge, ein Radio zu besitzen und daraus jeweils scheinbar aktuelle Meldungen über den Vormarsch der Russen zu produzieren. Daraus wiederum folgt eine immense moralische Aufrüstung der Ghettoinsassen, die trotz aller zuweilen und nicht zu selten tödlichen Schikanen der deutschen Besatzer Bestand hat. Auch die schlimmsten Ereignisse wie die Abholung der Bewohner für einen der berüchtigten Transporte lassen sich so besser ertragen. Nur, das Problem ist, mal wollen sie natürlich das Radio auch irgendwann mal sehen; wunderschön die Szene mit dem kleinen Mädchen, das Jakob versorgt, Lina, die dieses Ding auch mal sehen will und eine Öllampe hervorzieht, als Jakob mal nicht da ist. Diese hält sie für das Radio.
Aber auch die Gefahr, in die Jakob die Ghettobewohner bringt, sollten die Deutschen das Dinge entdecken, ist real, denn auch wenn es das Ding nicht gibt, wäre Jakobs Schicksal und auch das der anderen Bewohner besiegelt. Jakob fällt in tiefe Depression, als auch einer seiner Freunde, der sich mal für ihn geopfert hat, aufhängt. Dann geht Jakob in die Hochspannungsdrähte…
Ein meisterlicher Roman, der die Schrecken des Ghettos in der noch verbleibenden Normalität – es gibt sogar einen Liebesroman im Roman – bedrückend darzustellen versteht. Und der uns “Überlebende” nochmals auffordert: Nie wieder…