Im Grunde ist man mehr als sprachlos, ja seelisch stumm, nach dem Anschlag von Halle gegen eine jüdische Synagoge. Wir Älteren, die noch die letzten Reste des Verstummens unserer Eltern vor dem Unaussprechlichen der Judenverfolgung miterlebt haben, müssen feststellen, fast 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, dass der gewalttätige, militante und bösartige Antisemitismus in unserer Mitte und trotz dieser unserer Geschichte wieder neu erschienen ist – wenn er denn je verschwunden war.

Ist denn der Hass auf diese uns so wertvollen Menschen völlig unausrottbar?
Götz Aly, direkter Nachfahre des kurfürstlichen Kammertürken Ali, schrieb dieses Buch; “Warum die Deutschen, warum die Juden” und geht darin vor allem auf die historischen Hintergründe des Antisemitismus ein. Das allein reicht aber nicht aus! Es wird nun heute immer wieder in den zwangsläufigen Reden unserer zuständigen Politiker auf die wegbereitende Sprachwahl mancher anderer Politiker, etwa der AfD, hingewiesen, mit Recht. Aber es bedarf auch einer Art Hefe in der Gesellschaft, auf der diese Saat des Wortes (das in Taten übergehen kann – am Anfang war das Wort – und dann die Tat) aufgeht.
Also: Wer ist das, der da als Resonanzboden gegen Juden hetzt und gegen sie mit dem Maschinengewehr auftritt, der sie tötet? Es wird ein Mensch ohne Geschichte und auch ohne tiefergehende Bildung sein. Denn nur dann kann er diesen Weg einschlagen, bewusst und doch blind in der so unseligen Tradition der Nazis, die es ja bei uns uns gegenwärtig wieder gibt. Geschichte wiederholt sich? Nie? Oder manchmal?

Geschichtsbewusstsein und gute allgemeine Bildung – nur diese können wirksam den Irrsinn in unserer friedliebenden Gesellschaft verhindern. Und an beidem fehlt es grundlegend.

Und noch etwas zur Klarstellung: verwechseln wir bitte nie Antisemitismus mit kritische Israelhaltung! Man kann die Palästinapolitik des Staates Israel mit geziemenden Recht kritisieren, und doch gleichzeitig den Juden als den Menschen, der uns unsere christliche Religion eben auch ermöglicht hat, wertschätzen.