Grass – Trommel, Trommel, schwarz-weiß-rot…
… gerät Geschichte aus dem Lot.” So könnte der Leitsatz über der Blechtrommel Günther Grass’ lauten, das Motto sozusagen, denn an der schwarzweißroten (!) Trommel, die Oskar meist nach einigen Einsätzen zerstört und dann erstaunlicherweise fast immer Ersatz bekommt, geht in dieser Geschichte aus dem Vorkriegs- und vor allem Kriegs-Danzig kein Weg vorbei. Das letzte Drittel des Romans behandelt dann das frühe Nachkriegsdeutschland. Ja, es ist ein Geschichts- auch ein Kriegsroman, wie Krieg und Frieden, wie Im Westen nichts Neues etc. Aber es ist auch ein Episodenroman, der davon lebt, zwischen den Lebens-Episoden des Oskar, des Kleinwüchsigen, der dann doch noch etwas wächst, aber nicht zu viel, einen Buckel bekommt, sicher dann so aussieht wie R.III ohne dessen Bösheit, oder Quasimodo, aber etwas Boshaftes hat er denn doch.
Ja, die Blechtrommel. Ich habe hier ja schon den Film Schlöndorffs besprochen und den köstlichen, oftmals aber auch die Sprache verschlagenden und erschlagenden Witz Grass’, der in dem Film nicht verlorengeht, gefeiert. Im Buch ist das im Original zu lesen, und beim Lachen oder Schmunzeln bleibt einem oft der Lacher im Halse stecken. Gut, der Roman ist ein episches Meisterwerk mit Vor- und Rückblenden, Parallelgeschichten und einer gewissen Bissigkeit, die leider auch manchmal, besonders gegen Ende in Ekel erregende Geschmacklosigkeiten ausmünden kann, wie z.B. bei der Aal-Episode.
Der Dichter lümmelt. Soll er, denn die Erzählkunst ist unproblematisch und nimmt Lenz vorweg. Wunderbar die Figur des rätselhaften Bebra und seiner Raguna, die als warnende und mahnende Mentoren wirken.
Es ist auch trilogische Aufarbeitung einer bis heute unser Deutschland prägenden Zeit, von der Weimarer Republik über Hitler bis zur Zwischenzeit oder Wende. Da wir heute wieder ein Flüchtlings-“Problem” haben, in dem sich Zustimmung und krasse Ablehnung unappetitlich durchmischen, ist die Blechtrommel mit der ironischen Flüchtlingsepisode auch wieder zeitgemäß.
Ob das Buch wirklich mit dem Nazireich “abrechnet”, sei dahingestellt, es reflektiert mehr eine gewisse Distanz, eben aus der Sicht des Oskar Matzerath, der aus den Röcken hervorlugt. Es ist die Blickrichtung, von unten, nah, ohne dabei zu sein. Die Frage, die man stellen könnte, ist die, ob solche Haltungen während der Nazizeit real existent, häufig oder selten waren? ich vermute mal, die damit verbundene ironische Duldung des Ganzen war nicht so selten, gerade bei den Intellektuellen.
“Oskar protestiert physiologisch und psychisch gegen die Existenz schlechthin. Er beschuldigt den Menschen unserer Zeit, indem er sich zu einer Karikatur macht. Der totale Infantilismus ist sein Programm.” (Ranicki 1965)
Grass heute? Schullektüre. Mehr nicht,leider.