Entartete Kunst 2024
Über einen Bericht in unserer Lokalzeitung (Saarbrücker Zeitung) zum Thema “Ist Mozarts Zauberflöte rassistisch?” kann man nicht einfach hinweggehen, ohne dass einem die Zornesröte ins Gesicht steigt. Wenn das der Zeitgeist ist – oder Prägungen desselben – kann man nur noch in die innere Emigration gehen, verbunden mit. einem Höchstmaß an Resignation.
Was ist geschehen? Man untersucht wohl derzeit Opern auf ihren Gehalt an rassistischen Inhalten. Federführend ist dabei eine Organisation namens “Critical Classics”, die die Opern-Libretti darauf untersucht, ob Passagen daraus noch “in unser Zeit passen”. Passen sie natürlich nicht…
Othello der Mohr bei Shakespeare oder Verdi, Monostatos der häßliche Schwarze, Don Giovanni und sein Frauenbild bei Mozart, alles höchst verwerfliche und zu entfernende Verhaltensweisen. Es geht um die nun mehr und mehr auftauchenden Bedenkenträger unseres Mainstreams, die sich nach zerstörerischen Eingriffen in die Romane eines Karl May, eines Jack London, einer Margaret Mitchell etc. daran machen, diese wunderbaren Opern auf rassistische und eben auch frauenfeindliche Inhalte zu untersuchen und zusammen mit den Intendanten bereinigte und damit entkernte Fassungen auf die Bühne zu bringen. Will das denn einer sehen?
Zitat:
Nun aber kommt abermals Feuer in die Debatte, denn die Organisation Critical Classics will laut NDR mit der Harke durch Opernlibretti fegen. Zu finden gibt es einiges, sagen sie: den latenten anti-asiatischen Rassismus in Puccinis „Turandot“. Das demütigende Selbstbild des Schwarzen Monostatos in der „Zauberflöte“ („weil ein Schwarzer hässlich ist“). Das abschätzige Urteil, das ein Priester über Frauen fällt: „Ein Weib tut wenig, plaudert viel.“ Darüber müsse dringend nachgedacht werden, sagen die Critical-Classics-Leute. Eine Neuformulierung sei wichtig, alte Denkmuster gehörten nicht mehr in unsere Zeit und nicht auf unsere Bühnen. Manchmal berufen sich die Diskutanten auf Hegel, der die „Zauberflöte“ sowieso für ein „Machwerk“ hielt.
Verstörend sind Äußerungen eines Intendanten, der sagt, dass das Publikum heute auch ganz viel aus Leuten bestehe, die das zum ersten Mal sehen. “Die interessiert auch nicht, ob das jetzt ein hochwichtiges Werk des Repertoires ist, was seit 250 Jahren gespielt wird. Die sitzen hier und heute drin, die wollen einen guten Abend haben – und sie wollen bitte einen Abend haben, wo keine Menschen beleidigt werden.”
Gottseidank gibt es auch solche, die diese kulturschänderischen Aktivitäten ablehnen, so etwa ein Dramaturg, der ausführt, das „Schmutzige, das Diskriminierende aus der Literatur zu eliminieren“ oder auch das „Skandalöse wegzuretuschieren“, wie er es nennt, gehöre nun mal zu diesen Kunstwerken. Sie würden erst dadurch zur Kunst, dass sie den Widerspruch realisieren. „Unsere Künste werden sonst wohlfeile Botschaften, um die Gefühle unserer Besucher nicht zu verletzen.“ Weiter: „Was wäre denn Kunst anderes, als Wunden zu zeigen?“
Dennoch ist dieser Artikel ein Merkmal, ein Fanal eines Zeitzeichens. Der Autor schließt damit, dass (wenigstens) vorsichtig mit einem Opernlibretto umgegangen werden soll, dass diese “wichtigen” Debatten sorgsam geführt werden, bevor der Text umgeschrieben oder gar amputiert wird.
Genau das geschieht aber.
Im Grundsatz muss man erkennen, dass diese kulturelle Säuberung (eine solche hatten wir schon mal: entartete Kunst der Nazis) schon deshalb verwerflich ist, da sie den Sinn eines Werks – der immer auch ein Zeitspiegel ist – zerstört. Ein Kunstwerk wird demoliert, doch das interessiert diese Macher nicht, die sich dem Zeitgeist unterworfen haben. Der ist als solcher ein fortwährender Tabubruch, aber um sofort weitere, andere, schlimmere Tabus aufzubauen. Man kann sich fürchten vor einer Zukunft ( die wir Alten nicht mehr haben), denn wir schlittern quasi in eine Atmosphäre der gegenseitigen Bespitzelung und eines whistleblowing, das begann mit der Plagiatsuche in Doktorarbeiten und jetzt nicht mehr Halt macht vor edlen Kulturgütern, vor klassischen Romanen und jetzt auch unsern Opern.
Es gibt imer wieder Zeitgenossen, die über das Ziel hinausschießen und damit der Sache nur schaden. Mit fällt da ein Zitat von Theodor W. Adorno ein, der, allerdings in einem anderen Zusammenhang, einmal sagte: “Man fühlt sich an jene Etymologie erinnert, die “radikal” mit “ratzekahl” übersetzt”.