Die Nazigeneration; Beispiel Höß (I)
Ja, wir Deutsche sind Geschlagene unserer Vergangenheit, an die wir uns erinnern, die wir “aufarbeiten” (was ist das eigentlich?) und die wir nicht auslöschen können aus unserem kollektiven Bewußtsein. Es wird dies immer wieder versucht, immer mit untauglichen Methoden, zuletzt durch diesen Bernd Höcke von der AfD, der das Holocaustdenkmal in Berlin als Schande bezeichnete – zweideutig, denn er behauptete, die Schande des Holocausts gemeint zu habe, nicht das Denkmal. Wer’s glaubt.
Wir waren neulich im KZ Dachau, dem Arbeits- und Vernichtungslager Himmlers, übrigens mit auffällig vielen Schulklassen, die sich sogar angemessen verhielten; das fanden wir gut. Wir schieden aber bedrückt, einfach nicht begreifend, was hier und anderswo unsere Eltern taten, mittaten und schließlich nichts wußten von der skrupellosen Verbecherclique, die mal Deutschland geführt hat – allerdings in den kompletten Untergang. Immer wird es mir und meiner Generation, die noch in direkten Kontakt mit aktiven Nazis, oft in Person ihrer eigenen Eltern, gekommen ist, unbegreiflich bleiben, wie Menschen – und es waren ja Angehörige dieser Spezies – auf ein bloßes Kommando, den heiligen Befehl hin, reagierten und zu diesen Scheußlichkeiten in der Lage waren.
Einen Beitrag dazu liefern Berichte von Zeitzeugen. Ich las nun die neu herausgegebene “Autobiografie” des Kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß, geschrieben in Krakau, angesichts des bereits gefallenen Todesurteils.
Dies macht das Buch irgendwie glaubwürdiger und gibt doch einen tieferen Einblick in die zwiespältige Natur dieses Menschen, der aus einem gutbürgerlichen, katholischen und strenggläubigen Elternhaus stammte, und auch so erzogen wurde. Der strenge Vater ermöglichte Höß erstaunlicherweise eine gymnasiale Bildung, doch Höß geriet in den ersten Weltkrieg, der ihn wie viele prägte und vielleicht seine vorhandenen Bildungsansätze verschüttete.
Er tötete, wie er schreibt, und fand Gefallen daran. Dies passte dann in die Wirren der Nachkriegszeit, die ganz eindeutig Naturen (oder Narren) wie ihn begünstigten. Es kam, wie es kommen musste, er war als junger Mensch begeisterungsfähig und verfiel dem offenbar doch vorhandenen speziellen “Charisma” Adolf Hitlers. Er wurde NSDAP-Mitglied. Auch kam er mit dem Gesetz in Konflikt und machte einen längeren Aufenthalt im Zuchthaus durch; auch das prägte ihn. Seine Vorlieben für das Soldaten”handwerk” brachten ihn dann in die SS und in die Nähe Himmlers, der im Buch meist nur als RFSS (“Reichsführer SS”) firmiert. Er ist – natürlich nach Hitler – die Beziehungsfigur, die Lichtgestalt, deren heiligen Befehlen man unbedingt folgen muss. Er machte tatsächlich “Karriere”. In den KZs, hier immer KL genannt, stieg er auf, wurde in der komplizierten Hierarchie dieser Einrichtungen erst Schutzhaft-Lagerführer und schließlich Kommandant. In Auschwitz. (Forts.)