Dies las ich heute (am 7.4.2015) in der “Welt”, unter “Zippert zappt”:
“Die am häufigsten genutzte Autobahn-Notrufsäule steht im Saarland an der A1 kurz hinter der Ausfahrt Eppelborn. Kenner des Saarlands werden sich kaum darüber wundern, sie werden sich eher fragen, warum die Säule 2014 nur 237 Mal betätigt wurde. Das Saarland dient bekanntlich weltweit als Katastrophenmaßstab: Ölteppiche, Waldbrände oder radioaktiv verseuchte Gebiete haben immer die Größe des Saarlands. Allein die Tatsache, dass man sich im Saarland befindet, verängstigt viele Menschen, die kurz hinter Eppelborn rechts ranfahren, die Notruftaste drücken und fragen: “Wo bin ich denn hier gelandet?”. Wenn sie dann erfahren, dass sie sich kurz hinter der Ausfahrt Eppelborn im Saarland befinden, brechen die meisten weinend zusammen. Dabei wissen sie noch nicht mal, dass Eppelborn ein Kultur- und Kongresszentrum namens “Big Eppel” hat. Der saarländische Fremdenverkehrsverband weist Durchreisende darauf hin, dass das Saarland eine ganze Reihe von erstaunlichen Persönlichkeiten hervorgebracht hat, wie Oskar Lafontaine, Peter Hartz und Erich Honecker, bei deren Geburt keiner die Notruftaste gedrückt hat.”
OK, man weiss ja, dass dieser Zippert meist treffend, immer scharfzüngig sich äußert. Doch nun ist meine Wahlheimat, das Saarland, zum Thema geworden. Ich lebe hier, dem kleinsten Flächenland der Republik, mit etwa 1 Mio Einwohnern (abnehmend), seit nunmehr fast 38 Jahren, eine lange Zeit, um sich ein Urteil zu bilden und sesshaft geworden zu sein.
Man kann das zum Anlass nehmen, sich mal grundsätzlich (o wie deutsch) mit dem Saarland auseinanderzusetzen. Wo lebe ich, was ist das für ein Land und was bedeutet es – für mich und für die Welt? Ich bin Rentner und kann daher nachdenken. Ist dies meine Heimat?
Heimat ist, wo man sich wohlfühlt, Freunde hat und lange lebt. Das Saarland ist ein merkwürdiges Land; es ist ein Grenzland, früher zwischen den Mächten oft hin und her gerissen, und zwar wegen der damals wichtigen Bodenschätze (Kohle) und der Stahlindustrie, die aber nie nur saarländisch, sondern immer auch französisch und lothringisch war. Es ist klein, jeder kennt jeden und die “saarländische” Problemlösung baut auf Menschelndem auf und dem “kurzen Dienstweg”. Nachnamen sind häufig, Ortsnamen wiederholen sich, z.T. wortgleich diesseits und jenseits der Grenze. Der saarländische Dialekt (fälschlicherweise als “Platt” bezeichnet) ist dem lothringischen Dialekt überaus ähnlich, nur: während dort politisch gewollt der deutschsprachige Dialektanteil bei den Jüngeren abnimmt, gibt es hier Mundart-Bewegungen, die das verfestigen wollen.
Im Saarland ist die Verschwägerung groß. Daher ist das Saarland ein Musterbeispiel für Vetternwirtschaft. In den politischen Gremien wird eigentlich immer der Bruder, Vetter, Verwandte begünstigt. Der Nichtsaarländer wird herausgebissen, jawohl, aber sanft.
Das Saarland hat ein großen Imageproblem.
Fühlen wir uns hier wohl? Schwierig zu beantwortende Frage.
Hinzukommt, dass die SZ vor kurzem den Finger in folgende Wunde legte: Das Saarland ist ein Postenkonservierungsland. Vetternwirtschaft und persönliche Beziehungen sind hier, im kleinsten Flächenland der Republik, an der Tagesordnung. Ich nenne das Saarland, wo jeder jeden kennt und das auch praktiziert, ein Inzestland, wie ein mittelalterliches Dorf. Wenn dort die Vornamen praktisch zu 90% sich wiederholten, so ist das hier mit den Nachnamen ebenfalls zu beobachten. Man kann auch sagen “Bananenrepublik”!
Nun, obwohl die SZ einen solchen für den “gemeinen” Saarländer sehr kritischen, um nicht zu sagen ehrenrührigen Artikel brachte, kam es kaum zu Reaktionen, ablehnenden oder zustimmenden.Kein #Aufrschrei, nirgends. Also stimmt’s wohl??
Und das Logo? Kleinheit – Keimzelle – Evolution – hin zu Großem? Jawohl: kleine Sippen gehen hin zu großer Vetternwirtschaft und Netzwerken (so heißt Viatmin B ja heute).