Chemnitz oder der Aufstand der Vorgestrigen
Tja, das läßt einen ja nicht so ganz ruhig schlafen, wenn man sich ansieht, was da gegenwärtig in Chemnitz im Angesicht Karl Marx‘ passiert.
Es kam nach einem tödlichen Messerangriff eines Syrers und eines Irakers auf einen Deutschen zu rechtsextremen Massenprotesten in dieser sächsischen Stadt, bei denen sich gestern „Tausend“ Rechter wenigen Hundert „andersdenkender“ Bürger (vielleicht Linker?) gegenüberstanden und auch tätlich wurden. Die Polizei habe es im Griff gehabt, sagt sie, doch sei sie von der Menge der rechten Demonstranten doch überrascht gewesen.
Ein Bild (wie immer) will ich dabei referieren; es zeigt fast unbeteiligt wirkende Frauen im Vordergrund, einen, der den Stinkefinger zeigt und ansonsten sehr ruhige Teilnehmer der bürgerlichen Gegenseite. Auf der Seite der Rechten dagegen Unruhe, Gewalt, Geschrei und Widerstand. Man hat den Eindruck einer gewissen Resignation.
Die Bedeutung des Vorgangs läßt sich heute noch nicht komplett abschätzen, und voreilige Schlüsse auf ein Bundesland im Sinne von „die Ossis sind alle Nazis“ oder „Sachsen ist rechtsextrem“ verbieten sich. Aber: der klare Anlass, nämlich ein tödlicher Angriff von Migranten auf einen „Biodeutschen“ (so sagt man heute…; früher – damals – sagte man wohl Volksdeutscher), signalisiert, dass sich dort ein überbordender Fremdenhass Bahn bricht, der unterschwellig und ubiquitär bei nicht wenigen Deutschen vorliegt. Er wird auch befeuert durch die mancherorts, und nicht nur in Sachsen, aufscheinende Überzahl von meist jungen, männlichen Migranten in so genannten Problemzonen, Bahnhöfen, Plätzen, Anlagen, Schwimmbädern. Sie verhalten sich, oft unter Alkohol, entsprechend ihren eigenen patriarchalischen Kulturen. Das führt besonders bei Frauen zu berechtigten Ängsten und solche Orte sind oft „no-go-areas“.
Dennoch zeigen die Vorkommnisse in Chemnitz heute und andere in der Vergangenheit (z.B. Hoyerswerda etc.), dass in den ostdeutschen Ländern eine andere, offener xenophobische Qualität vorherrscht, die sich eben auch durch Anlässe zu offener Gewalt steigern läßt. Man muss nicht nur die DDR-Vorgeschichte für eine meist dürftige Erklärung bemühen, sondern man weiß ja auch, dass andere Gründe, etwa die des Abgehängtseins, der Verlust gesellschaftlicher Perspektiven oder Ähnliches eine großeRolle spielen. Hierzu schweigt sich Politik leider gänzlich aus.
Überhaupt Politik: da haben wir ja auch noch die AfD, die in Sachsen mit über 30% in den Landtag gewählt wurde. Auch ein Symptom, dem nun eine Diagnose folgen sollte. Diese ist, wie man in der Medizin sagt, multifaktoriell und eigentlich ein Syndrom, da sich aus vielen „Krankheiten“ zusammensetzt. Sicherheitsängste, Vorgeschichte der Ostdeutschen, Zukunftslosigkeit, lokaler wirtschaftlicher Niedergang und das Gefühl, von der Politik im Stich gelassen zu werden komplettieren das Syndrom der Xenophobie. Da ist Remedur not, doch keinr weis wie.
Es fehlt nun nur noch ein autokratischer „Ideenverdichter“ – man spare mir Genaueres -, um in ein vorgestriges Fahrwasser zu geraten. Die Bedingungen, abgeschwächt natürlich, aber vorhanden, sind denen der Weimarer Republik nicht so ganz unähnlich. Und die „sozialen“ Medien tun das Ihre dazu, Whatsapp und Twitter, auch die alte SMS, sie sind die Motoren.
Principiis obsta, oder obsta temporibus