Sterbehilfe?
Man ist als fast 80jähriger geneigt, sich nicht mehr zu Allem und Jedem zu äußern – si tacuisses philosophus mansisses. Doch zum Thema Sterbehilfe muss man reden, als Arzt wie auch als irgendwann Betroffener.
Nun wird wieder über das Thema Sterbehilfe diskutiert. Der Bundestag ist diese Woche dazu aufgefordert und es gibt zwei grundsätzliche Vorlagen:
1. Totale Aufhebung des aktiven Sterbehilfeverbots
2. Zulassung von gewerbsmäßigen Sterbehilfe-Organisationen
Während man (2) wohl ablehnen wird, obwohl auch hier mein Parteifreund L. wühlt und streitet, ist (1) ein sehr kontrovers diskutiertes Thema. Ich möchte kein Verfahren an der Backe, wie es in der Schweiz oder Holland möglich ist. Ich würde diesen Wunsch allerdings auch nie haben wollen. Der unsägliche Roger Kusch, mal Innensenator in Hamburg, ist da werbeaktiver Promoter. Tretet ihn in die Tonne.
Uns Ärzte kann es nur in einer Hinsicht betreffen: für unseren Berufsstand gibt es keine aktive, nur eine sanfte, zurückhaltende passive Sterbehilfe mit billigenden Anteilen. Als ehemaliger Intensivmediziner war ich nicht selten mit der Frage der Abschaltung oder der reinen Substitution (Luft und Wasser) konfrontiert. Sowohl Abschalten wie auch würdevolles Hinauszögern können fast immer mit den Angehörigen abgesprochen weder, das ist legitim und notwendig.
Doch eines gilt in hippokratischem Sinn: Wir Ärzte sind aufgerufen, Leben zu retten, nicht zu vernichten. So einfach kann man das ausdrücken.
Und die andere Seite der gleichen Sache ist eine höchst effektive Palliativmedizin, die Schmerzzustände immer wirksamer behandeln kann. Schmerztherapie und eine suggestiv-empathische Begleitung am Ende des Lebens sind ihre Domäne. Hier befindet sich der Patient nicht in der Hand des Therapeuten, sondern an der Hand der begleitenden Personen. Das ist besser und da gibt es keinen Raum für Selbstmörder.
Hier glaube ich allerdings, ist viel zu tun, denn diese Endzustände unseres Lebens verdienen gerade in der Zeit der Überalterung große Beachtung. Schmerzen lindern und vielleicht auch das Lebensende, so wie es kommt, in Kauf nehmen, ist eine der wichtigsten und vornehmsten Pflichten des Arztes. Wenn man liest, dass es sehr viele fehlende Palliativplätze in Deutschland gibt, gerade auch auf dem Lande, muss man fordern, dass hier mehr getan wird und nicht in endlosen Diskussionen über Sterbehilfe das Engagement ausgeschöpft wird. Es gibt seit heute ja nun zwar das “Palliativstärkungsgesetz”. Davon hat man nie etwas gehört; es soll ja wohl auch erst verabschiedet werden. Was soll es bewirken? Vielleicht nur mehr Bürokratie statt mehr ausgebildetes Personal? Das glaube ich eher, als dass sich an einem offensichtlichen Notstand, dessen Beseitigung ja auch Geld kostet, was ändert.
Gottfried Benn sagt:
“Nur wer es trägt, ist auch berufen,
nur wer es fühlt, ist auch bestimmt -:
Da ist der Traum, da sind die Stufen,
und da die Gottheit, die es nimmt.”