Das Ich und der Tod
Merkwürdig, heute läßt der Bundestag sich zum Thema Sterbehilfe ein, wobei im Focus der ärztlich assistierte Suizid steht. Um es vorwegzunehmen: ich bin als Arzt mit jeder Nervenfaser meines Willens gegen eine solche Verirrung menschlichen und ärztlichen Handelns. Ich denke und assoziiere auch Euthanasie im Dritten Reich!!
Das Thema wird in der Öffentlichkeit jedoch eher zustimmend diskutiert, wobei man diese Öffentlichkeit jeweils als massiv medienabhängig einstufen muss, d.h. der Bürger betet einfach nach, was verantwortungslose Journalisten als Negativmeldungen so alles plazieren. Und in manchen Ländern Europas (Holland, Schweiz) wird ein solcher Suizid bereits legal ermöglicht.
Warum ist das merkwürdig? Weil hier ein Parlament höchst autoritär in das Privatleben des Einzelnen eingreift, und das noch dazu mit dubiosem Modernitätsanspruch. Und weil Alternativen nicht mehr angesprochen werden. Alternativlos nennt man das frei nach Merkel. Ich und mein Tod – das ist jetzt öffentlich, Facebook sei dank.
Worum geht es? Zunächst mal darum, dass Ärzte hier “vor einen Karren” gespannt werden, der nicht der ihre ist. Dieser Karren heißt Tabubruch, heute stiller Begleiter aller Diskussionen. Ein Arzt soll beim Töten helfen können, das ist ein grandioser Tabubruch, der das Tabu des hippokratischen Eides, nachdem wir Ärzte alle angetreten sind, aufhebt, nämlich “nil nocere”, niemandem Schaden zuzufügen und Leben zu erhalten, statt es zu beenden. Ich will gern aus meiner eigenen Erfahrung im Kliniksbetrieb und auf der Intensivstation berichten, doch in der hier angestoßenen Diskussion sind Menschen gemeint, denen aus freiem Willen und “im vollen Besitz ihrer Geisteskraft” es erlaubt sein soll, mit Hilfe eines Arztes sein Leben zu beenden. Auf der Intensivstation sind wir oft mit Schicksalen konfrontiert, bei denen ein so genannter Finalzustand vorliegt, d.h. ein Zustand, der nach allen verfügbaren medizinischen Erkenntnissen nicht mehr mit einer sozialen und individuell vertretbaren Lebensqualität vereinbar ist. Hier greift schon immer die “passive” Sterbehilfe, das Abschalten lebenserhaltender Systeme, die Absprache mit den – vernünftigen – Angehörigen oder in Einklang mit vorhandenen Sterbeverfügungen des Patienten.
Dagegen befinden sich die Menschen, um die es in dieser Diskussion geht, in vergleichbar “gutem” Zustand eines nicht finalen, sondern terminalen (unumkehrbaren, bald zum Tode führenden) Krankheitsprozesses, meist infolge einer Krebserkrankung, meist verbunden mit nicht tolerierten Schmerzzuständen. Hier soll und muss statt eines so medienwirksamen, lockeren Umganges mit dem Todeswunsch das Stichwort “Palliativmedizin” und “Sterbebegleitung” fallen. Wir wissen heute, dass die moderne Schmerztherapie in fast allen Fällen Erleichterung, wenn nicht völlige Schmerzfreiheit, erzeugen kann. Wir wissen auch, dass die psychologische, seelsorgerische Betreuung auf den so genannten Palliativstationen äußerst effektiv ist und in der Lage ist, einen wichtigen Rest von Lebensqualität zu vermitteln.
Nur leider: diese medizinische Spezialität hat zwei entscheidende Nachteile: die meisten Menschen wissen gar nichts von ihrer Existenz und – diese Medizin ist teuer. Teurer jedenfalls als ein Suizid. Okay, das kling zynisch, ist es aber nicht, denn die Tatsache, dass sich heute Medizin überall nach ökonomischen Zwängen richtet, ist unbestritten. Dennoch bleibt die klare Erkenntnis bestehen, dass ein “ärztlich assistierter Suizid” unethisch und unangemessen ist, und dass er dem ärztlichen Auftrag diametral entgegensetzt ist. Obwohl ich Herrn Montgomery von der ÄK meist nicht zustimme, hier hat er recht, wenn er sagt: ” Ärzte sind dazu da, Leben zu erhalten, nicht dazu, es zu beenden..”
Lassen wir endlich Hippokrates zu Wort kommen, der gesagt hat:
“Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten; auch werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben. Rein und fromm werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren.”