75 Jahre Auschwitz
Ende Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, die vielleicht schlimmste Tötungsmaschine der Nazis und das seit Menschengedenken. Es ist für uns Zeitzeugen der endenden Naziherrschaft – wir waren zwischen 8 und 10 Jahre alt (wenn ich richtig rechne) – von gewisser persönlicher Bedeutung, wenn gegenwärtig daran erinnert wird. Ich hate Gelegenheit, einen bemerkenswerten Dokumentarfilm der Engländer, Russen und Amerikaner zu sehen, der auf der ARD-Internetseite als “Night will fall – Hitchcocks Lehrfilm für die Deutschen” bis zum 30. Januar zu sehen ist. Er dauert 1h13min und ist, um es mit einem Wort zu sagen: erschütternd und darum sehenswert. Sollte der Link funktionieren: bitte seht Euch diesen Film an. Er zeigt Filme und Dokumente und die politischen Hintergründe auf das Sorgfältigste – und wurde von Alfred Hitchcock redigiert. Übrigens nichts für schwache Nerven – aber das wissen wir ja.
Diese Verbrechen dürfen nicht vergessen werden oder als Nebensache (wie manchmal in Jugenddiskussionen, mit dem berühmten Schlusstrich-Argument) abgetan werden! Uns ist das meiste der unsäglichen und unvorstellbaren Begebenheiten in diesen Lagern ja leider hinreichend bekannt, doch ist’s mir wichtig, auch mich selbst immer wieder zu erinnern, dass dies deutsche Menschen waren und Menschen aus unserer damaligen Umgebung vielleicht, die diese Gräuel unter dem Begehren höherer Vernunft begingen und sie, so monströs das ist, auch innerlich vertraten. Wissen wir denn, wie unsere Eltern dazu standen, wenn sie es denn wussten – und es wussten viele?
Dabei ist es weniger diese Einstellung der Gleichgültigkeit, die das Bösartige, ja Böse des Geschehens mit ausmacht, sondern vor allem die immer wieder sichtbare minutiöse Perfektion der Bürokraten, die das erst ermöglichten. Ich habe mir die Ausstellung zur Wannseekonferenz in Berlin in der mondänen Wannsee-Villa angesehen und man gruselt sich, wenn man diese Schreibtisch-Bösewichte dort persönlich sieht. Die Dimension des Geschehens ist bis heute jeder Vernunft gegenüber unbegreiflich. Juden und unerwünschte Minderheiten perfekt umzubringen und sich dann noch mit den Zahlen brüsten, Karriere machen – auch medizinische… – das ist eben nicht mehr begreifbar. Wo war damals eigentlich Gott? Hiob sagt: er war da – trotzdem.
Ich lese gerade eine Biografie über den Schweden Raoul Wallenberg, der damals Zehntausende Juden in Budapest vor der Deportation nach Auschwitz gerettet hat, und an trotzdem in den Mühlen der Sowjetparanoia als Spion umgekommen ist. Sehr spannend geschrieben.
Mir geht es um das Erinnern und um das Nicht-Vergessen – das darf nicht sein, und wenn wir nicht mehr da sind und mit uns viel wichtigere Zeitzeugen, etwa die befreiten Häftlinge, dann – ja was dann? Dann bleiben ja nur noch solche Dokumente, wie dieser erschütternde Film. Seht ihn Euch an.
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