Gutmenschen als Kreuzzügler?
Kreuzzüge waren Ausdruck der absolut hochmütigen Idee der damals Herrschenden, das Christentum unter Anwendung von Gewalt in die Welt zu tragen. Dies ist heute Bildungs-Allgemeingut und schließt auch geschichtlich positive Aspekte mit ein. So ist etwa der Kreuzzug von Richard Löwenherz nicht negativ, denn er führte zu einer Reform des Rittertums. Die Gründung des Ordens der Deutschritter im Osten war kulturell wertvoll, selbst wenn diese Gründung sich gegen die “Ungläubigen” des Ostens, die Slawen, richtete.
Der Idee des Kreuzzugs lag eine über die Zeiten hinweg wirkende “Überidee” zugrunde, nämlich die der Überlegenheit des abendländischen Menschen mit dem Christentum über Menschen nichtchristlichen Glaubens. Heute würde man sagen: Überlegenheit des westlichen Menschen mit seinen Menschrechts-Werten über diejenigen, die zu ihrem “Glück” wenn nötig gezwungen werden müssen. Heuet dienen dazu allerdings nicht kriegerische, sondern wirtschaftliche Methoden – gleich wirksam, gleich tödlich…
In der FAZ vom 25. Dezember 2022, also passend am ersten Weihnachtstag, fand sich nun ein Artikel des Berliner FAZ-Autors Mark Siemons, der genau das analysierte. Man kann ihn hier nachlesen: Der Westen und die Menschenrechte…
Die Grundaussage des Artikels ist, dass eine ideologische Überhöhung allgemein absolut unstrittiger Werte wie die Menschenrechte und ihre Durchsetzung in andersartigen Gemeinschaften Züge aufweisen, die man mit einer Art modernem Kolonialismus gleichsetzen kann. Das trifft den Punkt, denn eine solche Definition beschreibt die Überheblichkeit unserer fehlerhaften westlichen Welt in einer Zeit, in der Buntheit und Vielfalt – zwar in sich auch wieder ideologiebetont und deshalb fragwürdig – doch immerhin bestimmende Faktoren unseres Zusammenlebens sein sollen, sehr genau.
Der indische Aktivist Shetty trägt vor:
“Obwohl der Begriff! erst im Zuge der Entkolonialisierung seinen Siegeszug antrat, werde er immer noch mit den idealistischen Motiven in Verbindung gebracht, mit denen der Kolonialismus seine Eroberungen ummäntelte, als dessen zeitgemäße Variante im Zeichen des fortgesetzten westlichen Hegemoniestrebens gewissermaßen. Deshalb plädiert Shetty dafür, den Begri! stärker als bisher mit den lokalen Kämpfen gewöhnlicher Leute gegen Unrecht und Unterdrückung zu verbinden. „Für zu lange Zeit haben sich viele von uns zu sehr auf die amerikanische und europäische Vormundschaft über die Menschenrechte verlassen.“
Der Auto weist weiter darauf hin, wie widersprüchlich diese Vorgehensweisen in Bezug auf fremde Kulturen (sic!) tatsächlich sind:
Noch weiter geht der kenianische Rechtswissenschaftler Makau Mutua. In seinem Buch „Human Rights – A Political and Cultural Critique“ betont er, dass Menschen dazu berufen seien, gegen menschliche Erniedrigung in all ihren Formen Widerstand zu leisten. Doch der „moderne Menschenrechtskreuzzug“ erinnere ihn an die Eroberung Afrikas durch das Christentum. Das Bindeglied zwischen beidem ist für ihn die Verachtung der lokalen kulturellen Traditionen und das Bestreben, diese zu ersetzen. Bei dem Kampf um die menschliche Würde gehe es eben nicht nur um Menschen als politische und ökonomische Wesen, sondern auch um die Geschichten, Kulturen und Traditionen, die die „spirituellen Kosmologien eines Volkes darstellen und jedes Einzelnen, der ihm angehört“.
Es geht den Aktivisten um reine Rechthaberei. Sie sind auf der Seite der “Guten” und da meine ich besonders die Partei der “Grünen”, die das Gutmenschentum für dich gepachtet zu haben glauben. Andere Kulturen mit ihren gänzlich anderen, aber darum nicht unbedingt schlechteren Sichtweisen, sind Ihnen egal. Hier ein weiteres Zitat:
Die Universalität bestimmter Normen wird ja eigentlich nirgendwo auf der Welt geleugnet: Kein Mensch will von anderen Menschen oder seinem Staat missbraucht, missachtet, verletzt, betrogen, belogen, unterdrückt oder ermordet werden. Doch viele Menschen bestehen zugleich auf einem Recht, mit dem man im Westen oft nicht rechnet: auf dem Recht, dass die kulturellen und religiösen Traditionen, in denen sie ihre höchsten Ideale bewahrt sehen, erhalten bleiben und Respekt erfahren.
Es besteht in der Tat ein Auseinanderklaffen der Wahrnehmungen – hier die kolonialistische, dort die individuelle, indigene Sichtweise. Eine weltweite Einigung wird aber nur zustandekommen, wenn man sich gegenseitg Respekt zollt und die gegenseitigen Traditionen (wir scheinen gar keine mehr zu haben) aufnimmt und garantiert.
Walter Jens, den manche gelegentlich als “Gutmenschen” bezeichneten, erwiderte einmal: “Ja soll ich denn eine Schlechtmensch werden?