dieter-gerlach_160Dieter starb 1994 und war zuletzt Direktor des Rechtsmedizinischen Instituts der Universltät Münster…

Nachruf von Gerd Bussing

Gedenken an Dieter Gerlach

Dieter empfand man von Anfang an als eine Persönlichkeit, die Ruhe und Sicherheit und nicht zuletzt auch Heiterkeit ausstrahlte. Ich habe mich in seiner Gegenwart immer wohl, ich könnte auch sagen: beschützt gefühlt. Seine nach der damaligen Auffassung massige Gestalt sicherte ihm Respekt, gerade in einer Zeit, als das Ansehen in der Klasse eng mit den notfalls einzusetzenden Körperkräften zusammenhing. Sein Spitzname „Dicker“, mit dem er meist angeredet wurde, enthielt keine Spur von Spott, er drückte eher so etwas wie Hochachtung aus und wohl auch die Anerkennung seiner Überlegenheit. Das war freilich noch zu jener Zeit, in der man „dick“ mit „stark und gesund“ gleichsetzte. Er hat dies jedoch nie zu seinem Vorteil ausgenutzt.
Bei den noch bis in die Mittelstufe üblichen – unblutigen – Rangeleien behielt er allerdings stets die Oberhand. Er war einer der wenigen, die vor den berüchtigten Mindener „Butjern“ keine Angst hatten.
Erst in den oberen Klassen bemerkte ich, das wir einiges gemeinsam hatten. Er schob mir einmal unter der Bank Nietzsches „Unzeitgemäße Betrachtungen“ zu, die ich dann, seinem Beispiel folgend, mit einem gewissen Stolz heimlich während des Unterrichts las.
Ich teilte mit ihm das Interesse für Sprachen, besonders für Latein, obgleich wir ja beide Neusprachler waren. Unvergessen ist mir ein gemeinsamer Besuch der Schwimmhalle in Bad Oeynhausen, wo wir uns – ich als Nicht- und er als Fahrtenschwimmer – verabredungsgemäß nur auf lateinisch unterhalten wollten. Wir wechselten auch Briefe auf Latein.
Bedauert und bewundert habe ich Dieter wegen seines unglaublich langen Schulweges. Er wohnte damals mit seinen Eltern in Meyerberg, einem auf der Landkarte nur schwer aufzufindenden Kaff im Extertal. Das bedeutete, dass er schon zu nachtschlafender Zeit aufstehen musste, um – nach mehrmaligem Umsteigen – pünktlich um acht Uhr morgens in der Schule zu sein. Im Abitursjahr hatte er dann ein kleines Zimmer in der Uferstraße in Minden, das er mir stolz zeigte.
Bei Klassenfesten und sonstigen Gelegenheiten trat er mit anderen Kameraden auch als Musikant auf.
Ich erinnere mich nicht, ob ich ihn nach den fünfziger Jahren noch einmal wiedergesehen habe.
Er starb auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Hochschullehrer in Münster im Alter von sechzig Jahren an einer tückischen Krankheit. Er hatte noch, schon von seinem Leiden gezeichnet, am Klassentreffen 1991 in Petershagen teilgenommen.

Gerd Bussing