Dies entdeckte ich bei einem Zahnarztbesuch in dessen Beschwichtigungsliteratur.
Ich fand es so treffend, dass ich es Euch nicht vorenthalten möchte. Es ist von Eugen Roth, der sich auch zum NS-Regne so geäußert hat:

„Kein Mensch will es gewesen sein.
Die Wahrheit ist in diesem Falle:
Mehr oder minder warn wir’s alle!”“

Es ist möglich, dass wir, ich besonders, diese existentielle Angst vor dem Bohrer und seinem Herrscher hatten und haben.

Beim Zahnarzt

Nicht immer sind bequeme Stühle
ein Ruheplatz für die Gefühle.
Wir säßen lieber in den Nesseln
als in den wohlbekannten Sesseln,
vor denen, sauber und vernickelt,
der Zahnarzt seine Kunst entwickelt.

Er lächelt ganz empörend herzlos
und sagt, es sei beinahe schmerzlos.
Doch leider unterhalb der Plombe
stößt er auf eine Katakombe,
die, wie er mit dem Häkchen spürt,
in unbekannte Tiefen führt.

Behaglich schnurrend mit dem Rädchen
dringt vor er bis zum Nervenfädchen.
Jetzt zeige, Mensch, den Seelenadel!
Der Zahnarzt prüft die feine Nadel,
mit der er alsbald dir beweist,
daß du voll Schmerz im Innern seist.
Du aber hast ihm zu beweisen,
dass du im Innern fest wie Eisen!

Nachdem ihr dieses euch bewiesen,
geht er daran, den Zahn zu schließen.
Hat er sein Werk mit Gold bekrönt
sind mit der Welt wir neu versöhnt
und zeigen, noch im Aug’ die Träne,
ihr furchtlos wiederum die Zähne,
die wir – ein Prahlhans, wer’s verschweigt –
dem Zahnarzt zitternd nur gezeigt …

Eugen Roth